„Einfach durchziehen und konsequent sein!“

Wie Sport Vanessas (Lipödem-)Leben veränderte.

Die 32-jährige Vanessa ist ständig in Bewegung: ob mit ihrem Rennrad, ihrem Trampolin oder ihrem Hulla Hoop. Sport gehört mittlerweile so fest zu ihrem Alltag wie Schlafen und Essen. Von ihrem Lipödem Stadium 2 in Armen und Beinen lässt sie sich nicht aufhalten – Vanessa zählt sich zum „Team Antischweinehund“. Wie ihr das gelingt, erzählt sie nicht nur auf ihrem Instagram-Profil @rundundsportlich. Sie ist auch eine #LipödemMutmacherin und ein Vorbild in Sachen Sport und Bewegung. Im Interview gibt sie Einblicke in ihre persönliche Entwicklung.

 

Seit wann hast du deine Diagnose „Lipödem Stadium 2 in Armen und Beinen“?
Seit dem 24.10.2014. Ich wurde durch eine Freundin und die Lipödem-Kampagne von Corinna Hansen-Krewer auf das Thema aufmerksam, ging zu einem Facharzt und der bestätigte meine Vermutung.
 

Wie sieht deine Therapie momentan aus?
Ich mache viel und regelmäßig Sport, habe meine Ernährung umgestellt (WeightWatchers und hauptsächlich vegetarisch/vegan), gehe zur Manuellen Lymphdrainage, nutze meinen Lymphapress und trage konsequent Flachstrickkompression.
 

Was nervt dich an der Krankheit am meisten?
Wenn die Schmerzen aus dem Nichts kommen. Die Fettpolster um die Knie und die Ellenbogen.
 

Wie gehst du mit der Krankheit um? Wer steht dir zur Seite? Wer oder was hilft dir?
Mein gesamtes Umfeld steht mir zur Seite. An sich habe ich mich sehr gut damit arrangiert und habe meinen Weg durch den Sport und die Ernährung endlich gefunden. Die Kompression hilft mir am allermeisten, mein Schmerzmanagement gut zu bewältigen, denn dadurch sind die Schmerzen sehr gering.
 

Bild: isabelle.a.m.photography

„27 Kilogramm weniger und vier Hosengrößen kleiner sprechen für sich!“

Du hast sehr viel Gewicht verloren und ganz toll abgenommen. Wie kam es zu dieser Veränderung? Was hast du anders gemacht?
Ich habe unerwartet im Mai 2020 mit dem Sport angefangen und seither ist es zu einem neuen Hobby geworden und ein Teil meines Alltags. Ich denke nicht mehr groß darüber nach und gehöre eindeutig ins Team #antischweinehund! Zudem habe ich im Oktober 2020 noch mit Weightwatchers angefangen und seither schmelzen die Pfunde nur so dahin. Stand heute: -27 kg und vier Hosengrößen kleiner sprechen für sich. Da ich das alles für mich selbst tue, fällt es mir nicht schwer. Ich verfolge kein bestimmtes Ziel, wie eine gewissen Konfektionsgröße oder ähnliches. Mein Ehrgeiz liegt im „einfach durchziehen und konsequent sein“.
 

In deinem Instagram-Profil steht „keine OPs #lipoedemohneop“. Warum hast du dich gegen eine OP entschieden?
Ich empfinde das Lipödem bei mir schon immer als eher optisches Problem, das mich gestört hat. Durch die Kompression habe ich die Schmerzen im Griff und bin daher immer weiter weg von den OPs gekommen. Zudem sind die OPs keine Heilungsgarantie und es kann jederzeit wiederkommen. Ich wollte einen Weg finden, bei dem ich mich wohlfühle.

Die OPs sind eine große Belastung für die Psyche, das möchte ich mir tatsächlich ersparen. Solange ich mich so gut bewegen kann wie aktuell, werde ich es nicht in Betracht ziehen, „nur“ für die Optik die Eingriffe zu machen. Außerdem muss ich dazu sagen, dass meine Schmerzgrenze sehr hoch ist. Zudem liebt mein Mann und mein Umfeld mich so wie ich bin. Das ist natürlich auch ein sehr wichtiger Faktor, um sich selbst zu akzeptieren. Beim Hashtag #lipödemohneop wollte ich den Lipies die „Gegenseite“ zur Liposuktion näherbringen. Die meisten denken nämlich leider, dass die OPs der einzige Weg sind.

Vanessa mit Lastofa Forte Schiefer

„Ich würde mir wünschen, dass die Krankenkassen mehr Kompressionsbestrumpfungen übernehmen, da das unsere tägliche Waffe gegen das Lipödem ist und nicht ein modisches Accessoires!“

Ein Blick auf dein Instagram-Profil @rundundsportlich verrät: Du setzt dich mit den Themen rund um Lipödem sehr intensiv auseinander und bereitest die Posts auch grafisch sehr ansprechend vor. Warum? Was ist die Motivation dahinter?
Es ist mir ein Herzensanliegen die Mädels ein wenig an meiner „Welt“ bzw. meinem Leben teilhaben zu lassen. Das Lipödem gehört für mich dazu und ich möchte all mein Wissen weitergeben, damit sie sich nicht alleine fühlen. Bei meiner Diagnose 2014 hatte ich keinen, den ich fragen konnte und war damit ganz alleine. Das möchte ich allen ersparen und stehe daher jeden Tag Rede und Antwort – egal, um was es geht. Da ich Mediengestalterin bin, ist es für mich selbstverständlich, den Content schön aufzubereiten.
 

Was würdest du dir in Sachen Lipödem wünschen?

  • Dass die Krankheit mehr erforscht wird, damit man die Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten (besonders das Thema Ernährung) kennt bzw. weiterentwickelt.
  • Dass mehr Akzeptanz in der Gesellschaft für uns Lipies herrscht und die Menschen etwas sensibilisierter sind.
  • Dass die Krankenkassen mehr Kompressionsbestrumpfungen übernehmen, da das unsere tägliche Waffe gegen das Lip ist und nicht ein modisches Accessoires.
  • Dass wir generell eine bedarfsgerechte Versorgung erhalten.
  • Dass das Bodyshaming unter den Lipies von vorallem Stadium 3 zu 1 aufhört! Wir sind alle im gleichen Boot. Eine Frau mit Stadium 1 kann mehr Schmerzen haben als eine aus Stadium 3. Es geht hier nicht um „deine Beine hätte ich auch gerne“. Nein, keiner will überhaupt irgendwelche Lipödem-Beine!
  • Dass mehr Aufklärung für die Wege des Lipödems herrscht. Nicht nur der Profit, vor allem bei Ärzten, die am besten gestern operieren möchten.
  • Dass man keinen Irrglauben verbreitet, dass Sport und eine Ernährungsumstellung bei Lipödem nichts bringt. Klar, man kann das Lipfett nicht abnehmen. Eine gesunde Lebensweise schadet allerdings keinem Menschen.
  • Dass jede von uns sich so akzeptieren kann, wie sie ist.
  • Dass einfach mehr Positivität in der Lip-Welt herrscht und man sich gegenseitig ermutigt und gemeinsam Erfolge feiert, denn man ist #gemeinsamstark.